Seit dem 15. November 2001 gibt es im nordhessischen Bad Arolsen den Verein „Wir für uns - Bürgerhilfe Bad Arolsen e.V.". Zweck dieses gemeinnützigen Vereins ist lt. Satzung der freiwillige Zusammenschluss von Personen, die gewillt sind, einander im Rahmen bürgerschaftlichen Engagements zu helfen. Das Angebot beinhaltet Hilfsdienste, wie z. B. Besuche und Gesellschaft leisten, Begleitung bei Behörden- und Arztbesuchen, kurzzeitige Haushaltshilfen, kleinere Reparatur-, Garten-, Näh- und Schreibarbeiten, Erledigung von Einkäufen und vieles ähnliches mehr. Angesprochen sind in erster Linie die sogenannten „jungen" Alten, die nach Erreichen des Ruhestandes sowohl die Zeit als auch die Möglichkeiten und Fähigkeiten haben, sich in der Gemeinschaft zu engagieren und selbst zu verwirklichen. Eine Entlohnung für die Tätigkeiten und Dienste findet nicht statt. Aktive Helfer erhalten eine Zeitgutschrift in Form von Punkten, die auf einem Konto gutgeschrieben wird. Mit den erworbenen Punkten können wiederum selbst Dienst- und Hilfsleistungen in Anspruch genommen werden.
Im südhessischen Raum, insbesondere im Landkreis Offenbach, gibt es viele solcher Vereine. Die Ursprungsidee stammt aus den USA, die ersten Senioreninitiativen, sogenannte Senioren-Genossenschaften, in der Bundesrepublik entstanden in Baden-Württemberg. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Idee weiter. Es ist ein gelungener Versuch, sich aus der bisherigen Angebots- und Versorgungsorientierung in der offenen Altenarbeit zu lösen. Eine Besonderheit dabei ist, dass die Vereine auch allen anderen Altersgruppen offenstehen. Der Unterschied zu gewohnten Formen ehrenamtlicher Arbeit ist hauptsächlich in der Selbstorganisation, der Benutzung von Zeitgutschriften als Tauschwährung und in dem Rollenwechsel von Hilfesuchendem und Helfendem zu sehen. Die Mitgliedschaft verpflichtet allerdings nicht zu einem bestimmten Tun oder Handeln. Jeder kann selbst entscheiden, ob, wieviel und wann er seine Fähigkeiten und Interessen einbringen kann und will. Der Doppeleffekt ist unverkennbar: Einerseits kann die Mitwirkung in einer Senioren-Initiative helfen, das eigene Leben sinnvoller zu gestalten, andererseits wird sie zur Veränderung des sozialen Klimas in der eigenen Gemeinde beitragen.
Nachfolgend soll ein chronologischer Bericht zeigen, wie der Bürgerhilfe-Verein in Bad Arolsen, unter gezielter Mitwirkung und Unterstützung der Kommune, entstanden ist. Dabei wird deutlich, dass bürgerschaftliches Engagement gerade und besonders im gemeinnützigen Bereich auf engagierte Beratung, Betreuung und Unterstützung durch die Stadt oder Gemeinde angewiesen ist.
Den beim Sozialamt der Stadt geführten Akten ist zu entnehmen, dass es bereits Anfang des Jahres 1995 erste Ansätze zur Gründung einer Senioren-Genossenschaft gab. Im Jahr 1997 wurde das Thema unter Bürgermeister Gerhard Schaller erneut aufgegriffen und in der Kommission für Senioren- und Behindertenfragen behandelt.
Aus heutiger Sicht fiel der endgültige Startschuss, als am 21. September des Jahres 2000 in der örtlichen Tagespresse ein Artikel unter der Überschrift „Senioren-Büro und Senioren-Genossenschaft sollen in Bad Wildungen gegründet werden" erschien.
Der Bürgermeister, persönlich von Konzept und Prinzip überzeugt, beauftragte die zuständige Fachabteilung im Rathaus, das Sozialamt, mit der Unterstützung des Vorhabens und gleichzeitiger Prüfung einer realistischen Umsetzbarkeit für Bad Arolsen.
Sehr kurzfristig erfolgte daraufhin ein erstes Gespräch zwischen der engagierten Bürgerin, Frau Irmtraut Brandschädel, und dem mit der Sachbearbeitung beauftragten Sozialamtsleiter. Bereits zu diesem Zeitpunkt legte Frau Brandschädel diverse Unterlagen des Landkreises Offenbach vor. Es wurde vereinbart, zunächst aktuelle Daten, Fakten, Informationen und Unterlagen einzuholen, um einen Überblick über Rahmenbedingungen, Voraussetzungen, finanzielle Auswirkungen und ähnliches mehr zu bekommen. Es erfolgte eine offizielle Anfrage der Stadt bei der „Leitstelle Älterwerden" im Landkreis Offenbach sowie den südhessischen Seniorenhilfen in Mühlheim am Main, Dreieich und Langen.
Beim Studium der Informationen und Unterlagen wurde sehr schnell deutlich, welch hohes Potential an bürgerschaftlichem Engagement in solchen Vereinen zu finden ist. Nach ausführlichem Studium der Unterlagen wurde der Bürgermeister über den Stand der Angelegenheit informiert und eine positive Beurteilung abgegeben. Daraufhin sah sich der Bürgermeister veranlasst, den Sozialamtsleiter damit zu beauftragen, der Initiatorin bzw. den Initiatoren eines Vereins so lange mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, bis dieser sich selbst und eigenständig verwalten kann. In diesem Auftrag ist die städtische Initiative zur Gründung des Bad Arolser Vereins zu sehen.
Nach Bad Wildungen sollte nun auch in Bad Arolsen, als zweiter Stadt im Landkreis Waldeck-Frankenberg, ebenfalls ein Bürgerhilfe-Verein entstehen.
Sehr schnell wurde jedoch klar, dass der Verein nur entstehen konnte, wenn sich weitere Gleichgesinnte und Interessierte finden ließen. Erneut war an dieser Stelle die Hilfe der Kommune gefragt. Das Beratungsgremium des Magistrats, die Kommission für Senioren- und Behindertenfragen, diente als Forum zur Darstellung der Ideen und Absichten. Schon zur Einladung wurde ein in der Verwaltung erstelltes Informationsblatt beigefügt. Da auch die anderen Tagesordnungspunkte dieser, ansonsten nicht öffentlichen, Sitzung überwiegend Informationscharakter hatten, entschloss sich der Bürgermeister als Vorsitzender der Kommission, die Öffentlichkeit zuzulassen. Dies hatte zur Folge, dass zum ersten Mal die Presse ausführlich über die Aktivitäten, eine Senioren-Genossenschaft in Bad Arolsen zu gründen, berichtete.
Der von den Presseberichten erhoffte Effekt, Interessierte anzusprechen und zur Mitarbeit zu bewegen, trat ein, wenn auch nicht in dem erhofften Umfang. Der Bürgermeister machte deutlich, dass er diese Sache ideell wie auch materiell nachhaltig unterstützen wolle.
Man beschloss, ein inzwischen von der Verwaltung entworfenes Faltblatt, im gesamten Stadtgebiet an entscheidenden Stellen auszulegen. Dieses gab den Interessenten die Möglichkeit, sich selbst einzubringen und auf welchen Gebieten sie eventuell tätig sein möchten. Diese Werbemaßnahme zeigte Wirkung. Etwa Mitte Juni 2001 war die Interessentenliste auf knapp 30 Personen angewachsen.
Es folgte eine offizielle Einladung des Magistrats der Stadt Bad Arolsen an alle bis dahin Interessierten sowie Vertreter der beiden örtlichen Tageszeitungen zu einer Informationsveranstaltung über den aktuellen Sachstand. Aus Mitteln der Ehrenamtskampagne "Gemeinsam aktiv - Bürgerengagement in Hessen" wurde eine großzügige Unterstützung von 1.000 DM bewilligt.
Die Resonanz auf diese Veranstaltung war durchweg positiv. In ausliegenden Listen für an einer Mitgliedschaft interessierte Bürgerinnen und Bürger waren am Ende 31 Personen festzustellen. Im Publikum befanden sich der Bürgermeister, der Stadtverordnetenvorsteher, Frakionsvorsitzende und Stadtverordnete.
Etwa zu diesem Zeitpunkt wurde erstmalig von konkreten Plänen zum Umbau des ehemaligen Postgebäudes in Bad Arolsen gesprochen, in dem dann auch ein Büro der Senioren-Genossenschaft eingerichtet werden sollte.
Mitte Oktober 2001 traf sich erstmals eine Arbeitsgemeinschaft, die sich aus einer Liste von nunmehr über 50 Personen rekrutierte und sich intensiv mit den Vorbereitungen für eine Gründungsversammlung befasste. Die Stadtverwaltung bereitete einen Satzungsentwurf
und eine Geschäftsordnung vor.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2001 lud schließlich der Magistrat der Stadt Bad Arolsen zur Gründungsversammlung für den 15. November 2001 in das Bernhard-von-Haller-Haus in Bad Arolsen ein. Die Einladung ging an alle bis dahin bekannten Interessierten und an die Presse. Die Stadtverwaltung hatte sich mit den Formalien zur Gründung eines Vereins vertraut gemacht und eine Tagesordnung erstellt. Ein alles in allem harmonischer Verlauf der Gründungsversammlung war auf intensive und gründliche Vorbereitung durch die Arbeitsgruppe und die städtische Verwaltung zurückzuführen. Nach einer kurzen Begrüßung und Einleitung durch Bürgermeister Gerhard Schaller und Vorstellung der Initiatorin Irmtraut Brandschädel wurde der Verfasser dieses Berichts in seiner Eigenschaft als Leiter des städtischen Sozialamtes und im Rahmen seiner bisherigen beratenden Begleitung der Aktivitäten einstimmig zum Versammlungsleiter gewählt.
Eine eindeutige Mehrheit der Versammlung wählte aus insgesamt neun Vorschlägen den Namen „Wir für uns - Bürgerhilfe Bad Arolsen". Die teilweise Namensgleichheit mit der inzwischen gegründeten Seniorenhilfe in Bad Wildungen bekam zu einem späteren Zeitpunkt noch eine weitergehende Bedeutung.
Ein Satzungsentwurf wurde vorgestellt, diskutiert, geändert, erweitert und danach schließlich als Vereinssatzung angenommen. Bei den Vorstandswahlen wurde Frau Irmtraut Brandschädel erwartungsgemäß zur ersten Vorsitzenden gewählt.
Nur wenige Tage nach der Vereinsgründung traf sich der neu gewählte Vorstand des Vereins zu seiner ersten Sitzung. Da das Büro noch nicht zur Verfügung stand, erfolgten die nächsten Treffen in städtischen Versammlungsgräumen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Vorstandes nahm der Sozialamtsleiter weiterhin in beratender Funktion an den Vorstandssitzungen teil. Ihm oblag es auch, die notwendigen Schriftsätze zur Beantragung der Anerkennung als gemeinnütziger Verein beim Finanzamt und den Eintrag in das Vereinsregister beim Amtsgericht zu fertigen. Darüber hinaus waren weiterhin alle schriftlichen Arbeiten vorläufig noch über die Stadtverwaltung abzuwickeln. Insbesondere wurde nun ein neues Faltblatt unter dem Namen des Vereins erarbeitet, das gleichzeitig als Beitrittserklärung für Mitglieder dienen sollte.
Ein auf allen Schriftsätzen zu verwendendes Logo wurde erstellt. Es besteht heute in einer zeichnerischen Darstellung von vier ineinandergreifenden Händen. Der Briefkopf des Vereins sollte später am linken oberen Rand dieses Logo tragen. Da der Verein inzwischen ein weiteres Mal eine Unterstützung der Hessischen Landesregierung erhalten hatte, beschloss der Vorstand, das Logo der Ehrenamtskampagne am rechten Rand des Briefkopfes anzubringen. Zusätzlich erfolgt unter dem Vereinsnamen der ausdrückliche Hinweis auf die Unterstützung durch die Ehrenamtskampagne der Hessischen Landesregierung.
Die ersten Vorstandssitzungen machten deutlich, dass in der praktischen Umsetzung der Ziel des Vereins eine Reihe von Fragen auftauchten, die nicht ohne weiteres abgewickelt werden konnten. Man erinnerte sich an die Einladung zu einem Besuch der Seniorenhilfe in der südhessischen Stadt Langen. Über die Stadtverwaltung wurde der Kontakt aufgenommen und ein Besuchstermin vereinbart. Die Seniorenhilfe Langen stellte bereitwillig alles zur Verfügung, was sie in mehrjähriger Praxis bereits erprobt und erarbeitet hatte, wobei die Zurverfügungstellung eines kompletten EDV-Systems besonders zu erwähnen ist. Danach konnte uneingeschränkt die Arbeit aufgenommen werden.
Wenig später erfolgte die Eintragung in das Vereinsregister und die Anerkennung als Gemeinnütziger Verein beim Finanzamt.
Zwischen den Vereinen Bad Wildungen und Bad Arolsen und auch mit dem im Entstehen befindlichen Verein in Korbach wurde einvernehmlich abgestimmt, dass nach Möglichkeit alle drei und eventuell weitere zukünftige Vereine im Landkreis den Namen "Wir für uns" tragen sollen. Dies sollte eine enge, eventuell später auch übergreifende Zusammenarbeit dokumentieren. Am 16.April 2002 wurde in Korbach der Verein "Wir für uns - Bürgerhilfe Korbach" gegründet.
In Bad Arolsen begann jetzt die aktive Arbeit. In der Stadtverwaltung wurde unter dem Briefkopf des Vereins eine Information an alle Mitglieder verfasst. Diese enthielt u.a. einen Leitfaden, eine Anleitung für aktive Mitglieder zur Abrechnung von Einsätzen, eine Zusammenstellung über Rechte und Pflichten der aktiven Helfer sowie Auftrags-Abrechnungs-formulare.
Der Einzug des Vereins in das Büro im umgebauten Postgebäud stand unmittelbar bevor. Schon vor dem Einzug wurde an der Außenwand des Hauses ein Metallschild mit dem Namen und dem Logo des Vereins angebracht. Dieses Schild steht im optischen Einklang mit weiteren Schildern der in dieses Gebäude einziehenden Abteilungen der Stadtverwaltung.
Im Mai 2011 ist in der alten Post das "Bad Arolser Diakoniezentrum" (badz) eingezogen. Damit entfiel für unseren Verein jegliche Unterstützung von kommunaler Seite. Da alle im badz untergebrachten Organisationen sich sozial betätigen, war es naheliegend, sich dort einzugliedern. Nach eingehenden Gesprächen und Beratungen bestand für uns die Möglichkeit, einen kleinen Raum anzumieten und als Büro einzurichten.
Am 30.06.2002 hatte der Verein 70 Mitglieder, wovon die weitaus überwiegende Zahl als aktive Helfer eingetragen ist. Zu Beginn des Jahres wurde eine einmalige Starthilfe von 3.000 € von der Stadt Bad Arolsen bewilligt. Der Sozialamtsleiter nimmt wieter in beratender Funktion an den Vorstandssitzungen teil.
Anlässlich des Hessentages 2003 haben alle drei Vereine im Landkreis Waldeck-Frankenberg beschlossen, sich dort in angemessener Weise zu präsentieren.
In der aktiven Arbeit hat der Verein den in Bad Arolsen seit mehr als 30 Jahren existierenden Senioren-Club übernommen. Dieser traf sich einmal wöchentlich und wurde bis dahin durch das städtische Sozialamt betreut. Bis zu seiner Auflösung im Dezember 2011 oblag die Betreuung der früheren Leiterin des städtischen Sozialamtes, Frau Heide Hellwig-Gebhart, die heute Vorstands-Mitglied des Vereins ist.
Es kann abschließend uneingeschränkt festgestellt werden, dass die vom Bürgermeister der Stadt Bad Arolsen veranlasste intensive Unterstützung des Entstehungsprozesses des Vereins eine kluge und richtige Entscheidung war. Bereits jetzt sind ambulante Pflegedienste mit den ihnen gestellten Aufgaben nicht nur überlastet sondern z.T. auch überfordert. Hier können die Vereine mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement in hohem Maße helfen. Der Verein hat sich als außerordentlich nützlich und unverzichtbar erwiesen.
Dieser Bericht soll deshalb mit den Worten von Frau Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zum Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 enden.
Menschen aller Altersgruppen engagieren sich für die Gemeinschaft. Ohne den Einsatz der Bürgerinnen und Bürger wäre unser Land um vieles ärmer. Politik muss dieses Engagement anerkennen und durch angemessene, politische, wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen stärken. Freiwilliges Engagement ist nicht nur der Dienst am Nächsten, sondern ebenso die Verwirklichung persönlicher Interessen. Angesichts der hohen Bereitschaft in der Bevölkerung zu freiwilligem Engagement, ist es die Aufgabe der Politik, Wege zu ehrenamtlicher Betätigung aufzuzeigen und den Bürgerinnen und Bürgern attraktive Betätigungsfelder anzubieten.
Bad Arolsen, Juni 2016